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Real Experience

Farben bestimmen wesentlich den Raumeindruck. Ähnlich wie Klang oder Geruch beeinflusst Farbe unmittelbar die Atmosphäre eines Raumes und damit unsere Wahrnehmung und Stimmung. Ausschlaggebend ist dabei nicht nur die absolute Größe der Farbfläche, Faktoren wie Tageslichteinstrahlung oder Farbauftrag können den ganzen Raum durch die Reflexion einer farbigen Fläche verändern. Farben umgeben uns ganz alltäglich, doch wo große monochrome Wandflächen wirken, wird Farbe zum beherrschenden Raumerlebnis. Über zwei Semester haben Studierende des Fachgebiets Bildende Kunst am Institut für Architektur diese Erfahrung gemacht. Über den Zeitraum eines Jahres wechselt im Babette, einer Bar auf der Karl-Marx-Allee in Berlin-Mitte wöchentlich die komplette Farbe der Rückwand. Die Architektur der Bar betont dabei die Wirkung, denn der ehemalige Kosmetiksalon Babette ist ein zweigeschossiger Glaskubus mit einer Mezzanine, der im Erdgeschoss von einer durchgehenden Rückwand beherrscht wird, vor der der Tresen positioniert ist.

Die farblich gestaltete Wand wird somit zum bestimmenden Raumelement. Fast 150 Studierende haben ein Jahr lang die Wand in wechselnden Farbtönen gestrichen. „The ReAL Experience“, die reale Erfahrung ist auch eine RAL-Erfahrung, denn die ausgewählten Farbtöne sind der farbverbindlichen RAL-Palette, der wichtigsten Farbskala für die industrielle Anwendung, entnommen. Die Herausforderung für die Studierenden der Architektur besteht darin, die Farbtöne mit Farbpigmenten und Binder nachzumischen und in verschiedenen Abtönungen auf die Wand aufzutragen – für die Studierenden eine wirkliche Erfahrung mit der Materialität von Farbpigmenten einerseits und der Wirkung von Farbe im Raum andererseits. Während im Babette eine Farbschicht die nächste überdeckt, werden die verwendeten Farbtöne im Foyer des Architekturgebäudes der TU Berlin nebeneinander gesetzt und addieren sich so zu einer abstrakten Wandgestaltung. Mit „ReAL Experience“ entsteht ein Brückenschlag, der die zwei Orte der Ost- und Westmoderne (beide Gebäude Baujahr 1966) für die Zeit des Projektes inhaltlich miteinander verbindet.

Semantische topolpgieFarbwahrnehmung und Raumwirkung werden von allen Studierenden in einem eigens für das Projekt entwickelten Fragebogen dokumentiert. Die Fragen beziehen sich auf das subjektive Farbempfinden und auf eine eher abstrahierende Beurteilung darüber, wie die Farbe den Raum verändert. Gefragt wird ebenso nach einer mit der Farbe assoziierten persönlichen Erinnerung, einem Gegenstand, Räumen, Worten und Tieren. Die Studierenden sind aufgefordert, vierzehn Farben nach einem vorgegebenen Schema in diesem Sinne zu bewerten, womit wir derzeit über ein Ergebnis von etwa 2.100 einzelnen Aussagen zur Farb- und Raumwirkung verfügen. Das Fachgebiet Bildende Kunst hat im Rahmen der „Langen Nacht der Wissenschaften“ 2010 die Auswertung wissenschaftlich dokumentiert und künstlerisch visualisiert: in einer großen projizierten, animierten Grafik werden die 2.100 einzelnen Farb- und Raumwirkungen der beteiligten 150 Studierenden zu einer „Semantischen Topologie“ zusammengefasst, einer mehrdimensionalen interaktiven Grafik mit über 10.000 Begriffen, die jedem Farbpunkt neben seinen Koordinaten auch die jeweils genannten fünf Begriffe zuordnet.

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